Ehrenbürger
Pfarrer Franz Keweloh (1841 - 1929)
Hermann Paschasius Rettler (1915 - 2004)
Hans Ettrich (1933 - 2014)
Pfarrer Franz Keweloh (1841 - 1929)
Am 21. Februar 1928 wurde dem katholischen Pfarrer Franz Keweloh die Würde als Ehrenbürger der Stadt Castrop-Rauxel verliehen. Damit war der Pfarrer der Kirche St. Lambertus in der Castroper Altstadt der erste Ehrenbürger der Stadt, die nur zwei Jahre zuvor, am 1. April 1926 gegründet worden war.
In der Ernennunsurkunde heißt es:
„Wir, Magistrat und Stadtverordnete der Stadt Castrop-Rauxel, bekunden und bekennen hiermit, daß wir dem Herrn Geistlichen Rat und Ehrendechanten Franz Keweloh in Castrop-Rauxel in dankbarer Anerkennung der großen Verdienste um die Allgemeinheit, die er sich in seiner 60-jährigen ununterbrochenen hiesigen Tätigkeit in vorbildlicher Weise nicht nur bei der Erfüllung seiner seelsorgerischen Pflichten, sondern auch im gemeindlichen Leben um die frühere Gemeinde, spätere Stadt Castrop und die jetzige Stadt Castrop-Rauxel insbesondere auf dem Gebiete der Caritas und durch feinsinnige Förderung von Kunst und Wissenschaft im reichen Maße erworben hat, das Ehrenbürgerrecht verliehen haben.“
Mit der Auszeichnung, die im zeitlichen Zusammenhang mit dem 60-jährigen Ortsjubiläum Kewelohs verliehen wurde, würdigten Verwaltung und Politik der Stadt die große Lebensleistung eines Mannes, der die ungeheure Dynamik des Wandels von den Anfängen des Industriezeitalters bis in die Endzeit der Weimarer Republik als aktiver Mitgestalter erlebt und vorangetrieben hat.
Zeitgeschichte
Deutschland befand sich zu dieser Zeit in den Einigungskriegen gegen Dänemark, Österreich und Frankreich (1864 bis 1871). Parallel dazu hatte auf lokaler Ebene mit der Gründung der Zeche Erin 1866, dem 1872 die Anlagen Graf Schwerin und Victor I/II folgten, das Industriezeitalter Castrop voll erfasst. Das Kirchspiel Castrop wurde größer, die Lambertuskirche zu klein. Der erst 1839 vom Kirchplatz an die Ecke Bochumer Straße/Karlstraße verlegte Friedhof erwies sich als unzureichend und zu nah am Erin-Standort. Eine an die neuen Bediungungen angepasste Infrastruktur, beispielsweise Schulen und ein Krankenhaus mussten dringend geschaffen werden. Hinzu kam ab 1871 der Kulturkampf, mit dem Preußen der katholischen Kirche zusetzte.
Lebenslauf
Geboren als Bauernsohn am 12. Mai 1841 in Westönnen bei Werl machte Keweloh 1862 in Paderborn sein Abitur und studierte anschließend dort und in Münster Theologie. Nach der Priesterweihe am 14. August 1867 erhielt Keweloh nach ein paar Monaten Dienst in Dortmund-Brakel am 23. Januar 1868 eine Kaplanstelle an der Castroper Pfarrei St. Lambertus. Pfarrer war dort seit 1846 Heinrich Lohmann (1810 bis 1886). Ein Jahr nach dem Tod Lohmanns wurde Keweloh am 15. August 1887 zum Pfarrer von St. Lambertus ernannt. 1892 wurde er zum Dechanten von Dortmund berufen, zu dem Castrop bis 1901 gehörte. Anschließend wurde das Dekanat Castrop unter seiner Führung abgetrennt. Nach 38 Jahren als Pfarrer von St. Lambertus ging er am 1. Dezember 1925 in Ruhestand. Nach seinem Ruhestand wohnte Keweloh bis zu seinem Tode am 1. Mai 1929 in der Castroper Innenstadt. Beigesetzt wurde Keweloh unter großer Beteiligung der Bevölkerung und der Geistlichkeit auf der zentralen Priestergruft des katholischen Friedhofs an der Wittener Straße. Links von seinem Vorgänger Heinrich Lohmann, unter dessen Amtszeit der Friedhof am 1. April 1867 eingeweiht worden war. Ein im Zuge der Vereinheitlichung der Grabsteine dort errichteter schlichter Grabstein erinnert an ihn. Auch der derzeit noch provisorisch gelagerte ursprüngliche Grabstein Kewelohs ist noch in gutem Zustand erhalten. Eine Entscheidung über dessen endgültigen Verbleib ist noch nicht gefallen.
Tätigkeit
In seiner Zeit als Kaplan übernahm er hauptsächlich die Haus- und Krankenbesuche. Dabei, so formulierte er es später einmal selbst, habe er im wörtlichen und übertragenen Sinne auf seinen vielen Gängen durch die Stadt tiefe Fußspuren hinterlassen, da er als Bauernsohn einen engen Draht zur Landbevölkerung hatte. Zeitzeugen bezeichneten ihn als „ehrlichen, einfachen und geraden Mann“, Eigenschaften, die er auch von seinen Gläubigen erwartete.
Die ungewöhnlich lange Amtsperiode Kewelohs ist geprägt von mehreren Bauvorhaben sowie eine Serie von Kirchneubauten und den damit verbundenen Abpfarrungen in den Außenbereichen.
Ein Großprojekt war dabei der Neubau der Pfarrkirche St. Lambertus. Nach einer längeren kontroversen Diskussion um Abbruch oder Erhalt bzw. Verbleib am Standort oder einem anderen Bauplatz setzte sich schließlich die Position des von Keweloh geleiteten Kirchenvorstandes durch. Sie bestand darin, die alte Kirche in den neogotischen Neubau zu integrieren, um damit ihren historischen Wert zu erhalten. Die Kirche in ihrer heutigen Form wurde am 28. Oktober 1890 feierlich eingesegnet.
1892 folgte ein neues Pastorat an der Widumer Straße am Standort des heutigen Rochuskindergartens und des geplanten Großprojektes „Widumer Tor“ mit einem neuen Marcel-Callo-Haus als Mittelpunkt.
Mehrere Erweiterungsbauten im Bereich des Rochus-Komplexes folgten, darunter ein Kindergarten und ein Waisenhaus.
1892 begann die Zeit der wesentlichen Abpfarrungen (Börnig-Sodingen, Rauxel, Merklinde, Holthausen, Schwerin, Frohlinde, Obercastrop), die erst mit der Selbstständigkeit der Gemeinde Heilig Kreuz in Dorf Rauxel 1965 zu Ende ging. Heute werden die sechs Gemeinden im Castrop-Rauxeler Süden wieder zusammengeführt.
Herrman Paschasius Rettler (1915 - 2004)
Am 28. Oktober 1993 zeichneten Verwaltung und Stadtrat den Franziskanerpater und emeritierten Bischof Hermann Paschasius Rettler „in Anerkennung seiner langjährigen Verdienste als Botschafter des guten Willens zwischen Castrop-Rauxel und Brasilien“ mit dem Ehrenbürgerrecht der Stadt Castrop-Rauxel aus. Die Ehrung stand im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Silbernen Bischofsjubiläum, das Rettler ein paar Wochen zuvor in seiner Heimatkirche St. Marien Merklinde gefeiert hatte. Dieser Ehrenbürgerschaft gingen bereits zwei gleiche Würdigungen der Stadt Bacabal sowie des Bundesstaates Maranhao voraus. Es folgte eine weitere durch die Stadt Itu im Bundesstaat Sao Paulo, zu der Rettlers letzte Wirkungsstätte, das Lepradorf Pirapitingui, gehört.
Berühmter Sohn Merklindes
Obwohl er bis zu seinem Tod fast 70 Jahre als Missionar in Brasilien tätig war, pflegte Rettler sein Leben lang eine intensive Verbindung zu seiner Heimat. Dies wurde 1968 mit der Aufnahme des Stadtwappens in sein Bischofswappen auch an prominenter Stelle dokumentiert. In seiner ehemaligen Bischofsstadt Bacabal im nordostbrasilianischen Bundesstaat Maranhao wird Rettler bis heute verehrt. Auch in Merklinde ist der berühmte Sohn des Stadtteils unvergessen. 2015 und 2018 fanden zwei Gedenkveranstaltungen zum 100. Geburtstag und zum 50. Jahrestag der Bischofsweihe statt. Eine noch nicht errichtete Straße, die gegenüber seinem Elternhaus von der Merklinder Johannesstraße entlang den Bahngleisen in Richtung Süden führen wird, soll nach ihm benannt werden.
Lebenslauf
Rettler wurde am 26. Januar 1926 als viertes von acht Kindern in Merklinde geboren. Sein Vater, Ferdinand Rettler, war 20 Jahre zuvor als Junglehrer an die Marienschule und Organist an der Marienkirche aus dem Sauerland gekommen und hatte die Merklinder Landwirtstochter Louise Hovemann geheiratet. 1933 schloss Hermann Rettler seine Schulausbildung im Franziskanerseminar im belgischen Garnstock ab und ging 1935 nach Brasilien. 1939 legte er hier sein Ordensgelübde ab und nahm seinen Ordensnamen Paschasius an, wurde dann 1942 zum Priester geweiht. Erst 1952 kehrte Rettler das erste Mal zu seiner Primizfeier ins heimatliche Castrop-Rauxel zurück.
Missionarisches Wirken
In den ersten gut 30 Jahren seines missionarischen Wirkens übte Rettler eine Reihe von Funktionen aus, auch in den Metropolen Rio de Janeiro und Sao Paulo. Papst Paul VI. ernannte den zu diesem Zeitpunkt 52-jährigen am 24. Juli 1968 zum ersten Bischof der neuen Diözese Bacabal im Innern des nordostbrasilianischen Maranhao, die er erst einen Monat zuvor installiert hatte. Auf Wunsch Rettlers fand die Bischofsweihe durch den Erzbischof und Kardinal Lorenz Jaeger statt, und zwar am 12. September 1968 in der Merklinder Marienkirche. Eine nach dem Tode Rettlers gefertigte Bronzeplakette erinnert bis heute an dieses Ereignis, wenn auch mit einem falschen Datum, weil der Weihetag mit dem Todesdatum verwechselt wurde.
Anwalt der Ärmsten
Als Bischof festigte Rettler seinen Ruf als Anwalt für die Ärmsten der Gesellschaft durch sein Vorgehen gegen Landbesitzer, die auch vor Mord nicht zurückschreckten. Obwohl Rettler selbst wiederholt mit dem Tode bedroht wurde, ließ er sich nicht einschüchtern. Nicht zuletzt dieses Handeln begründete Rettlers Ruf als ein Kirchenmann des Volkes. Nach seiner Emeritierung zu seinem 75. Geburtstag verließ Rettler Bacabal und zog in das Lepradorf Pirapitingui im Bundesstaat Sao Paulo, wo er sich als „Frei“ („Bruder“) anreden ließ und bis ein Jahr vor seinem Tod am 16. September 2004 wirkte. Auch dort konnte er sich auf die Hilfe aus seiner Heimatstadt verlassen, da sich die Obercastroper Stiftung „Aktionen – Stiftung für Menschen in Not“ der dringend benötigten medizinischen Hilfe verschrieben hatte. Seinen letzten Lebensabschnitt verbrachte Rettler im Franziskanerkloster von Sorocaba, Sao Paulo, auf dessen Friedhof er zunächst auch beigesetzt wurde, bis 2018 die Überführung der sterblichen Überreste nach Bacabal stattfand.
Hans Ettrich (1933 - 2014)
Hans Ettrich hat viele Jahre und Jahrzehnte die Entwicklung der Stadt Castrop-Rauxel, des Kreises Recklinghausen und der gesamten Region mitbestimmt und geprägt. Als Bürgermeister, als Landrat sowie als politisch engagierter Mensch, fühlte er sich den Bürgern verpflichtet. Deshalb und wegen seiner Zähigkeit und Beharrlichkeit wurde der SPD-Politiker „Löwe von Castrop-Rauxel“ genannt.
Hans Ettrich war seit 1986 im Vorstand des SPD Bezirk Westliches Westfalen, stellvertretender Vorsitzender des SPD Unterbezirks Recklinghausen, 1989 bis 1999 Bürgermeister von Castrop-Rauxel, Mitglied des Kreistages und schließlich von 1994 bis 1999 ehrenamtlicher Landrat des Kreises Recklinghausen. Zudem war er Mitglied der IG Metall, Vorsitzender des Fördervereins „Ausbildungsverbund Emscher-Lippe e.V.“ und im Aufsichtsrat unterschiedlicher Unternehmen tätig. Insbesondere galt sein Augenmerk der Emscher-Lippe-Region und dem nördlichen Ruhrgebiet, hier lagen ihm die Bereiche Wirtschaft- und Strukturpolitik am Herzen. Die Zukunft der Jugend war ihm ein wichtiges Anliegen, so kämpfte er unter anderem als Vorsitzender des Kuratoriums des 1990 gegründeten Vereins „Jugend in Arbeit e.V.“, mit konkreten Handlungskonzepten gegen die Arbeitslosigkeit von jungen Menschen in der Region. Er konnte in seiner Eigenschaft als Mitglied der Lenkungsgruppe der Internationalen Bauausstellung Emscherpark (IBA) verschiedene Projekte kreisweit realisieren. Als Visionär verstand er es Freunde, politische Weggefährten, Mitstreiter für seine Ziele, seine Ideen zu begeistern, Netzwerke zu bilden und Menschen zusammenzubringen.
Neben seinem Engagement für die Stadt, den Kreis und die Emscher-Lippe-Region setzte er sich auch für die europäische Idee ein und stärkte die Städtepartnerschaften. Besonders zur ostdeutschen Stadt Zehdenick baute er ein besonderes Vertrauensverhältnis auf und war nach der Wiedervereinigung wichtiger Ansprechpartner für die kommunale und wirtschaftliche Neuausrichtung.
Für sein Engagement wurde er nach dem Ausscheiden aus seinem Amt mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt Castrop-Rauxel ausgezeichnet, zudem wurde ihm das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und der Landesverdienstorden NRW verliehen.
Hans Ettrich war privat ein großer Naturliebhaber. Im Stadtteil Frohlinde war er zu Hause. Er starb 2014 im Alter von 81 Jahren in Castrop-Rauxel.